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12/21/2012

3. Kapitel

DIE HORROR SCHWESTERN

Die Sonne geht auf und taucht mein Zimmer in rotgoldenes Licht. Ein ziemlich hübscher Anblick, wenn ihr mich fragt. Trotzdem kann in diesem Augenblick überhaupt nichts meine miese Laune heben. Ich habe gefühlte Jahre gebraucht, um einzuschlafen und bin letztendlich doch nur in einen unruhigen Schlaf geglitten. Ich reibe mir die Augen. Unter meinen Fingerspitzen spüre ich, wie angeschwollen sie sind.
     Ich habe definitiv zu wenig geschlafen.
     Ihr wollt wissen, woher die schwere Schlaflosigkeit kommt? Nicht aus heiterem Himmel, nein. Meinen Schlafmangel verdanke ich ganz allein meiner wundervollen Mutter und ihren abnormalen Rachegelüsten.
     Shreya ist Mitschuld.
Nur, weil sie mich nach der Kirmes unbedingt noch in ein chinesisches Restaurant zerren musste, um Paati Pooja’s Vorhersagen mit mir auszudiskutieren, kam ich vorgestern zu spät zum Abendessen. Ganze drei Minuten … Mutters Hirn tickt aber – wer hätte es denn gedacht? – anders. Diese drei Minuten waren für sie, als hätte ich mich um Stunden verspätet – Tage, nein, zig Lichtjahre. Und das kommt Mutter gerade recht. Ihr hat es geradezu unter den Fingerkuppen gejuckt, mir eine deftige Strafe reinzuwürgen. Aber sogar Mutter weiß, dass sie dafür einen ebenfalls deftigen Grund brauch.
     Ich habe ihr vorgestern einen geliefert, verdammt.
Und wie kann man jemanden wie mich am besten bestrafen? Mit Hausarrest? Nein. Zwar hat Shreya noch heute mit schrecklichen Heulkrämpfen zu kämpfen, wenn sie Hausarrest bekommt, doch mir macht es schon gar nichts mehr aus, so oft habe ich es aufgebrummt bekommen. Außerdem schleiche ich mich sowieso immer wieder raus und meine Eltern sind es leid, mir hinterherzutelefonieren. Mit Putzarbeiten wie zum Beispiel Zimmer aufräumen oder dreckiges Geschirr spülen? Auch nicht. Ich würde dann einfach Rohit und seine Brüder bezahlen, die dann die Aufgaben für mich erledigen.
     Die Drei tun alles für einpaar Rupien.
Man kann mich so richtig foltern, in dem man mich zwingt, wie eine Mahila rumzulaufen. Mit Sari und Bindi und Schminke. Ich erschaudere. Und genau das hat Mutter getan. Heute feiert meine Cousine Aishwarya ihren achtzehnten Geburtstag. Ich kann sie nicht leiden. Ihre hochnäsige Art kann einen in den Wahnsinn treiben. Vor allem, da sie noch nicht einmal einen Grund vorweist, womit sie überhaupt angeben kann. Und als mich Mutter vor einer Woche fragte, ob ich hinwollte, war sie noch damit einverstanden, dass ich etwas Besseres zutun habe. Schließlich würden dort unzüchtige Dinge laufen und es sei besser, dass meine Kinderaugen davon verschont bleiben. Mutters Worte nicht meine … Aber gestern meint sie plötzlich, ich müsse doch dort hin – mit Sari und Bindi und Schminke. Ich könnte kotzen, ehrlich.
Erst dachte ich, dass ich einfach abhauen kann, aber Mutter hat Darshan angeheuert, mich zu begleiten, und auf mich aufzupassen, sodass ich ja nicht wegkomme.
     Habe ich schon mal erwähnt, dass mein Cousin Darshan ein kleiner Arschkriecher ist?
     Das, was Mutter sagt, ist sein Gesetz.
Jemand klopft an die Tür und ich zucke zusammen. Es ist Shrimati Naina.
     »Guten Morgen, Kumari Priya«, sagt sie. »Sie sind schon wach? Für gewöhnlich schlafen Sie noch, um diese Zeit.«
     Schnaufend reiße ich die Bettdecke von meinen Beinen und versuche meine Füße in meine quietschgrünen Badelatschen zu zwängen. Heute benötige ich unglaublich viele Versuche dafür.
     »Ihre Augen, Kumari!«, keucht Shrimati Naina. Sie muss sich an meiner Nussbaumkommode abstützen. »Was haben Sie jetzt schon wieder angestellt, hm?«
     »Ich konnte nicht schlafen«, murmele ich gähnend.
     »Die Singh Schwestern haben nicht alle Zeit der Welt aus Ihnen eine Mahila zu machen, Kumari Priya. Sie kommen in einer halben Stunde. Ich würde mich vorher noch ein wenig frisch machen, wenn ich Sie wäre. Wir wollen ja nicht, dass die Singh Schwestern in Ohnmacht fallen, hm?«
     Mit diesen Worten stampft Shrimati Naina aus meinem Zimmer. Und ich falle aus allen Wolken.
     Die Singh Schwestern! Okay, noch schlimmer kann mein Tag nun wirklich nicht mehr werden. Die Singh Schwestern sind Mutters ferne Verwandten und so unerträglich nervig, dass ich sie insgeheim die Horror Schwestern nenne. Ihr werdet noch verstehen, weshalb.

»Priya!«, zischt Mutter und deutet auf meine Sitzhaltung.
     Ich zucke mit den Achseln. Sie wird mich niemals dazu bekommen, meine Beine übereinanderzuschlagen.
     »Lass sie doch, Rhea«, murmelt Vater, verstummt aber sofort bei dem wütenden Blick, den Mutter ihm zuwirft.
     Dann murmelt sie etwas von Respekt und Göttern. Vater schürzt seine Lippen. Das macht er immer, wenn er große Mühe hatte, sein Lachen zu unterdrücken. Ich grinse.
     Im selben Moment schreitet Babu ins Zimmer.
     »Ihre Gäste sind eingetroffen.«
     »Führen Sie sie hierher ins Wohnzimmer, ja?«, sagt Mutter schnell. Sie erhebt sich und glättet aufgeregt die Falten in ihrem blutroten Sari. Sie trägt heute den Teuersten, den sie zu bieten hat. Vater hat ihn ihr letztes Jahr in Malaysia gekauft. »Keine Dummheiten, Priya.«
     Ich seufze. Amüsiert funkelt mich Vater mit seinen grünen Augen an. Zwei Frauen mittleren Alters watscheln ins Wohnzimmer und blicken umher, als sähen sie zum allerersten Mal Sonnenlicht. Sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Beide haben ein großes, fleischiges Gesicht mit Wangen, als verstecken sie Mangos darin, und lange schwarze Haare, die ihnen bis zum Po reichen.
     »Aaah. Mh-hm«, macht die eine Horror Schwester. »Hast dich doch für die apricotfarbenen Gardinen entschieden, die ich dir empfohlen habe. Sehr gute Wahl, Rhea.«
    Mutter lacht hysterisch. Als ihr Blick auf mich fällt, bricht sie abrupt ab. Die andere Horror Schwester macht sich währenddessen an unserem Obstteller zu schaffen und schmatzt sich durch grüne Papayas und gelbe Datteln.
      »Nun«, beginnt Mutter, »ihr müsst nach der langen Reise großen Hunger haben.«­­­­­­­­­­ Von Gopal Bhavan nach Bandra sind es gerade mal zehn Minuten mit dem Bus. »Wir haben Essen gemacht.« Shrimati Naina hat das Essen gekocht, korrigiere ich sie in Gedanken. »Folgt mir ins Esszimmer.«
     Glücklich dackeln die Horror Schwestern Mutter hinterher. Vater und ich bleiben sitzen. Wir sehen uns an und müssen in derselben Sekunde lachen.
     »War das deine Idee?«, frage ich grinsend und sehe Vater dabei zu, wie er eine Träne von seinen Augenwinkeln wischt.
     »Meine? Du kennst deine Mutter doch.« Ich nicke stumm. Ich kenne Mutter nur zu gut. »Du wirst es schon überstehen, Kleines«, sagt Vater und erhebt sich. »Versuch heute einfach ein wenig netter zu den Singh Schwestern zu sein. Das besänftigt deine Mutter sicher.«
     Mit einem Augenzwinkern verlässt er das Wohnzimmer.
     Vielleicht hat Vater recht. Womöglich ist das eine von Mutters eigenartigen Prüfungen. Wenn ich sie bestehe – wenn ich also höflich zu den Horror Schwestern bin – muss ich vielleicht gar nicht mehr zu Aishwaryas Party. Okay. Du wirst höflich sein, befehle ich mir. Egal wie nervig sie heute sein werden, du wirst dich zusammenreißen!
     Gut, sie würden mich trotzdem wie eine Mahila kleiden. Aber wie eine Mahila zurechtgemacht zu werden und vor anderen wie eine Mahila rumlaufen zu müssen, sind für mich zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich weiß, dass ich erst dann im Erdboden versinken würde, wenn ich – zurechtgemacht wie eine Puppe – in Aishwaryas Party erscheinen müsste.
     Ich würde sterben, so peinlich wäre das.

Während die eine Horror Schwester mir Beine, Arme und Achselhöhlen mit irgendeinem stinkenden, klebrigen Zeug enthaart, reißt mir die andere Horror Schwester fast die Haare vom Kopf.
     »Wer schön sein will, muss leiden, Liebes«, sängelt die eine Horror Schwester. »Und du willst doch wie eine Mahila ausschauen, nicht Priyanka?«
     Du wolltest höflich sein, ermahne ich mich und beiße mir fast die Zähne aus. Ich werfe Mutter einen schnellen Seitenblick zu. Sie sieht mich prüfend an. Wartet womöglich darauf, dass ich einen Fehler mache; dass ich explodiere. Schweren Herzens schlucke ich das weniger nette Wort hinunter, das ich beiden Horror Schwestern an den Kopf werfen wollte, und lächle. »Aber natürlich, Tantchen«, säusle ich zuckersüß, dabei hätte ich nur zu gerne gekotzt.
     »Sieh dir mal ihre Brauen an, Schwesterherz!«
     »Erinnern mich eher an einen afrikanischen Urwald, wenn du mich fragst«, flüstert die andere Horror Schwester entsetzt. »Her mit der Pinzette. Los, los!«
     Ich hätte am liebsten losgebrüllt, als sie sich mit dem Etwas, das sie eine Pinzette nennt, meinen Augenbrauen nähert.
     »Haben Sie keine Angst, Kumari!«, ruft mir Shrimati Naina ermunternd zu. »Es ist gar nicht so schlimm, wie Sie denken!«
     »AUUU!«, schreie ich und hätte der einen Horror Schwester am liebsten die faltige Visage mit der Faust poliert. Ich habe schon meine Hände zu Fäusten geballt – besinne mich in letzter Sekunde aber wieder. Stöhnend wische ich mir die tränenden Augen. Das hat verdammt wehgetan!
     Und so geht es eine ganze halbe Stunde weiter. Zwar meint Mutter der Schmerz wird mit der Zeit besser werden und ich solle mich nicht so anstellen. Tatsächlich tut es nach dem zwanzigsten Haar genauso weh wie beim Allerersten.
     »Ah«, seufzt Shrimati Naina. »Sehen Sie sich das mal an!« Sie deutet auf mein Gesicht. »Sieht doch viel besser aus, hm?«
     Die eine Horror Schwester dreht meinen Stuhl – immer und immer wieder. Mir war so schlecht, ich hätte mich am liebsten in mein Bett gelegt und eine Siesta gemacht. Aber das, was ich dann zu Gesicht bekomme, verschlägt mir die Sprache. Mein Schwindelgefühl ist abrupt in den Hintergrund gerückt. »W-Was ist d-das?«, stottere ich entsetzt und zeige auf den schwarzen Koffer, den die eine Horror Schwester mit Shrimati Nainas Hilfe auf meinen Schreibtisch hievt.
     »Unser kleines Schminkkästchen.«
     Schminkkästchen ist schlichtweg untertrieben – und klein ist es auch nicht. Es ist eher ein saugroßer, megaabnormaler Schminkkasten, mit dem man mal eben einen Menschen erschlagen kann. Sogar den Hulk könnte man damit lahmlegen, so groß ist das Teil. Und darin befinden sich unendliche Pinsel verschiedener Größen, eine gigantische Palette mit Farben, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, und anderes Schminkzeugs. Sie gleichen Folterinstrumente.
     Mit einem rupft man Wimpern; mit einem anderen kann man Augäpfel rauslöffeln.
     Die wollen mich umbringen.
Es dauert eine ganze Stunde, bis sie fertig mit meinem Make-up sind. Und ich fühle mich, als trüge ich eine Maske. Oder als hätte man mir soeben Botox ins Gesicht gespritzt.
     Nicht – angenehm.
     »Hey!«, meckere ich und schlage der einen Horror Schwester, die versucht hatte mir mein Superman T-Shirt auszuziehen, auf die Hand. »Was soll das?« Höflich sein, Priya. »W-Was macht ihr mit mir?«, füge ich ein wenig netter hinzu.
     »Jetzt kommt der große Augenblick, Priyanka.«
     Ich hebe beide Brauen und neige meinen Kopf nach rechts.
     »Dein Kleid, Kumari Priya!«, seufzt Shrimati Naina und schlägt sich beide Hände auf den Mund. »Kann’s kaum erwarten!«
     »Darf ich vorher wenigstens sehen«, was ihr mit meinem Gesicht angestellt habt?, denke ich, »wie mein Make-up aussieht?«, frage ich.
     Ohne Vorwarnung schubsen mich beide Horror Schwestern vom Stuhl. Beinahe wäre ich auf die Schnauze gefallen, hätte ich mich nicht rechtzeitig mit den Händen abgestützt.
     »Ausziehen!«, rufen die Horror Schwestern im Chor und klatschen – Kindern an ihrem ersten Schultag gleich – aufgeregt in die Hände.
     Shrimati Naina kommt zu mir angerannt. Nach einer Minute stehe ich splitterfasernackt in meinem Zimmer. Hatte ich gemeint, der Tag könne nicht schlimmer werden?
     Großer Irrtum.

Und da stehe ich nun. In einem Sari, geschminkt und mit Bindi. Mein Sari war tiefblau und an meinem Dekolleté schimmern goldene Steinchen. Anders wie bei meinem grünen Sari, auf dem ich versehentlich Chicken Tikka Masala gekleckert habe, kratzt dieser Stoff nicht, sondern schmiegt sich sanft an meine Haut. Erleichtert atme ich den Stress der letzten Tage aus. Das Schlimmste ist vorüber. Ich habe es überstanden. Ich bin für meine Verhältnisse höflich geblieben. Habe meine Zunge im Zaum gehalten. Mutter muss einfach gnädig mit mir sein.
     Ich sehe in die Runde. Acht Augen sind auf mich gerichtet. Ich meine sogar ein kleines Lächeln auf Mutters Lippen erkennen zu können. Sie wird mich ziehen lassen. Ganz sicher.
     »Oh, Kumari«, säuselt Shrimati Naina und wischt sich eine Träne von den Augenwinkeln, »Sie sehen wunderschön aus.«
     Die Horror Schwestern legen mir zum Abschluss goldenen Schmuck an. Sie summen zu einer grauenhaften Melodie, als sie mich zu meinem großen Spiegel schieben. Und dann trifft mich der Schlag. Das Mädchen, das ich darin sehe, ist jemand anderes – aber nicht ich. Ich kenne sie nicht; sie ist mir völlig fremd. Mein Herz pocht mir bis zum Hals, als ich mich langsam dem Spiegel nähere. Ich streiche mir über die Wangen und lasse dabei das fremde Mädchen im Spiegel nicht aus den Augen. Auch ihre grünen Augen bleiben skeptisch auf mich geheftet, während sie meine Bewegung exakt nachahmt.
Die langen, schwarzen Locken des Mädchens fallen über ihre Schultern und bilden eine perfekte Harmonie mit der Farbe ihres Saris. An der Taille sitzt ihr der edle Stoff eng am Körper, wird dann lockerer und streift zuletzt fast den Boden. Ihr Gesicht gleicht beinahe einer Puppe, wäre da nicht die kräftige Nase ... »Was habt ihr mit mir gemacht?«, flüstere ich entsetzt.
     Ich habe gewusst, was auf mich wartet. Aber dieser Anblick ist schlichtweg ein Schock. Nie wollte ich wie die anderen Mahilas sein – wie die ganzen komischen Tussen auf den Straßen, die denken, sie müssen sich für die Männer in Mumbai aufstylen. Nie wollte ich so ein Modeopfer sein – eine Puppe. Und nun reicht ein bisschen Make-up und ein bisschen Stoff, um mich genau zu dem zumachen? Das bin nicht ich. Das ist nicht die Priya, vor der die Männer aus dem Weg springen, aus Angst einen frechen Spruch einstecken zu müssen. Die Priya, die Skateboard fährt und sich mit Jungs versteht, ohne sie daten zu müssen. Die Priya, die sich nichts Sagen lässt.
     Niemand darf mich so sehen. Niemand.
Ein Klopfen reißt mich aus meinen Gedanken. Bevor ich auch nur einen Laut von mir geben kann, öffnet Shrimati Naina die Tür. Es ist Darshan.
     Okay, ich werde heute zur Mörderin.
     »Ich weiß … Bin zu früh dran, aber –« Darshan stockt, als er mich sieht. Ich werde rot wie eine Tomate. »Cousinchen? Bist du es?« Er lacht. »Hätt‘ dich kaum wiedererkannt! Du siehst so … anders aus.«
     »Halt die Klappe, Darshan«, keife ich. »Du bist im Smoking auch keine Augenweide.«
     Darshan verschränkt die Arme vor der Brust.
     »Meinte eigentlich, dass du ganz hübsch aussiehst«, beginnt er, »wenn man das Gesicht außer Acht lässt.«
     »Nun«, sagt Mutter schnell und reibt sich die Hände, bevor ich kontern kann. »Wie ... wäre es mit einem Masala Chai, Schwestern? Nach dieser Höchstleistung kann nur ein guter Tee Körper und Geist beruhigen, nicht?«
     »Mh-hm«, stimmen ihr die Horror Schwestern zu und folgen Shrimati Naina samt Equipment aus meinem Zimmer. Bevor auch Mutter sich ihnen anschließt, packe ich nach ihrem Handgelenk und starre sie hoffnungsvoll an. »Ich war heute höflich, nicht?«
     Mutter hebt eine Braue.
     »Höflicher als sonst«, füge ich schnell hinzu.
     Mutter wirft mir einen skeptischen Blick zu, schweigt aber.
     »Ich muss nicht mehr zu der Geburtstagsparty, oder?«
     Sekunden verstreichen. Dann lacht Mutter plötzlich.
     »Du wirst dahingehen, Priyanka.«
     »A-Aber –«, stottere ich entsetzt.
     »Keine Widerworte.«
     Mutter verlässt mein Zimmer und ich bin erstarrt.
Alles ist umsonst gewesen. Alles. Ich brauchte gar nicht höflich sein. Mutter will mich bestrafen. Und ihre Strafe liegt nun einmal darin, dass ich, wie eine Mahila gekleidet, in Aishwaryas Party aufkreuze.
     Jeder wird mich sehen. Man wird den Respekt vor mir verlieren, den ich mir mühevoll über die Jahre verdient habe. Man wird mich auslachen. Ich, Priyanka Sharma, tanze in einem Sari, mit Bindi und Schminke an, obwohl ich damals noch große Töne gespukt habe, keine zehn Pferde würden mich dazu bekommen.
     »Ist doch kein Weltuntergang«, sagt Darshan ohne den Blick von meinem alten Gameboy abzuwenden. »Ein bisschen feiern, ein bisschen trinken … Weiß gar nicht, was du hast, Cousinchen.«
     Erst werfe ich ihm einen überraschten Blick zu. Habe ganz vergessen, dass er sich immer noch in meinem Zimmer aufhält. Dann hätte ich ihm am liebsten den Kopf abgerissen. Im selben Augenblick trudelt eine brillante Idee in meinen Kopf. »Hey, Darshan?«
     »Hm?«, macht er, ohne vom Gameboy aufzuschauen.
     »Sei doch mal ehrlich«, beginne ich. »Du hast auch nicht wirklich Bock auf die Party, nicht? Wie wär’s, wenn wir beide uns einfach einen schönen Tag machen? Im Candies oder im Mc Donald’s vielleicht? Ich lad dich ein! Und wenn Mutter fragt, sagen wir ihr einfach, dass wir von Aishwaryas Party kommen.« Hoffnungsvoll reiße ich die Augen auf. Er scheint darüber nachzudenken.
     Darshan wirft den Gameboy auf mein Bett.
     »Klingt nicht schlecht«, ich bin kurz davor Freudensprünge zu machen, »aber das Angebot deiner Mutter ist verlockender.«
     Und ein zweites Mal falle ich aus allen Wolken. »Wie viel gibt sie dir?«
     »Unbezahlbar für dich«, wispert er nur.
     »Darshan, sag schon!«
     Er zuckt mit den Achseln und grinst.
     »Außerdem würde ich nur zu gerne sehen, wie andere auf dich reagieren werden. Priyanka Sharma sieht man vielleicht kein zweites Mal im Sari.« Er lacht laut. »Wenn ich du wäre, würde ich lieber nicht darüber nachdenken, abzuhauen. Deine Mutter hat noch weit mehr Leute angeheuert, die dich observieren sollen. Bleib also einfach an meiner Seite, okay Cousinchen?«

2 Kommentare:

  1. Hallo! :)

    Tut mir leid, wenn ich jetzt erst antworte, aber ich hatte meinen Autorenblog etwas vernachlässigt :P Ich hab leider gerade keine Zeit, mich hier etwas umzusehen, werde das aber Ende der Woche mal nachholen :D

    LG, Tanja

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